Hallo Alex,

in unserem Bücherschrank fanden wir ein interessantes Dokument zu deinem Großvater Hans-Otto Mayer: Eine Vortragssammlung zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an ihn 1973, die du ja auch erwähnst. Der Laudator Prof. Dr. Manfred Windfuhr schreibt darin einen fiktiven Brief Thomas Manns an seinen Sammler Mayer, der ihn quasi als Bruder im Geiste umarmt – der vor den Nazis ins Exil geflohene Thomas Mann den Hauptsturmführer der Waffen-SS.

Mayer hält dann während der Veranstaltung eine längere Rede, in der er akribisch seine Verdienste bei der Sammlung von Erstausgaben, Briefen, Sekundärliteratur und Devotionalien auflistet. Nur sehr am Rande taucht der zeithistorische Hintergrund auf, z.B. dass Mann 1936 vom NS-Regime die Ehrendoktorwürde entzogen worden war, oder dass „nach der Währungsreform 1948 wieder ein normales Leben begann“. Er berichtet, dass er, Mayer, sich „1938 bei einem Verwandtenbesuch im Ausland den ‚Briefwechsel mit dem Dekan der philosophischen Fakultät Bonn anlässlich der Streichung Thomas Manns aus der Liste der Ehrendoktoren‘ in der Erstausgabe verschaffen“ konnte. Wie schön für ihn.

Für uns ist es schwer nachzuvollziehen, wie man ein Leben für das Werk des Humanisten Thomas Mann verbringen kann, wie man mit der jüdischstämmigen Frau Thomas Manns, Katja Pringsheim, nach Manns Tod engstens befreundet war und gleichzeitig Funktionär des Barbarentums sein konnte. Man hätte ihn gerne gefragt.

Beste Grüße,
Bernd